Abwertung, Verachtung, Gewalt
Neonazis haben am Himmelfahrts-Wochenende mehrere wohnungslose Menschen in Dortmund angegriffen. Sozialdarwinismus, die Abwertung von Armen, Obdachlosen, „Randständigen“ als minderwertig, ist fester Teil rechter Denkmuster.
Von Alexandra Gehrhardt
Foto: Sebastian Sellhorst

Die Brückstraße in Dortmund ist vor allem am Wochenende ein beliebter Ort zum Ausgehen und Feiern. In der Nacht zum 20. Mai war sie Tatort rechter Gewalt. Wie AntifaschistInnen öffentlich machten, bedrohten vier Männer kurz vor 3 Uhr morgens GästInnen im Außenbereich der linksalternativen Kneipe „Hirsch-Q“. Auf der Brückstraße hätten sie anschließend eine Person zu Boden gestoßen und griffen kurz darauf zwei augenscheinlich wohnungslose Frauen an, schubsten eine von ihnen gegen eine Scheibe und traten auf sie ein. ZeugInnen schildern Rufe wie „Heil Hitler“, „White Power“ und sozialdarwinistische Beleidigungen. Auch auf dem angrenzenden Platz von Leeds sei später ein Wohnungsloser von der Gruppe angegriffen worden; „für nichts“, erzählte dieser später dem WDR. Drei Männer identifiziert die Antifa-Gruppe als aktive Neonazis aus Dortmund und dem Emsland. Auch die Polizei hat mittlerweile zwei „Tatverdächtige aus der rechten Szene“ identifiziert und ermittelt wegen gefährlicher Körperverletzung. Vor Ort hatte lediglich ein Verdächtiger einen Platzverweis bekommen. Außerdem sucht die Polizei nicht nur ZeugInnen der Taten, sondern auch weitere Geschädigte.
Menschen ohne festen Wohnsitz sind täglich Opfer von Gewalt. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe zählt 277 Wohnungslose seit 1989, die durch nicht-wohnungslose TäterInnen getötet wurden. Sozialdarwinismus muss als häufiges Motiv angenommen werden. „Wohnungslose werden nicht selten attackiert, eben weil sie wohnungslos sind und damit in den Augen der Täter:innen als ‚unnütz‘, ‚minderwertig‘ oder ‚rechtlos‘ gelten“, sagt BAGW-Chefin Werena Rosenke in einer Studie des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft zu Hassgewalt gegen Wohnungslose. „Für ihre persönliche Lage werden die Betroffenen selbst verantwortlich gemacht und das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Leben wird den Geschädigten aktiv abgesprochen.“ Solche Taten richteten sich „nicht nur gegen das Opfer selbst, sondern gegen alle wohnungslosen Menschen“.