„Die Stadt muss handeln“
Verwaltung legt erstmals Zahlen zu Zwangsräumungen vor
In Dortmund wurden im vergangenen Jahr 331 Haushalte zwangsgeräumt. Das zeigt die Antwort der Verwaltung auf eine Anfrage von „Die Fraktion – Die Partei“. Für die Wohnungslosenhilfe des bodo e.V. zeigen die Zahlen, dass die Stadt dringend handeln muss: „Wenn man Wohnungslosigkeit bekämpfen will, ist Prävention der Schlüssel.“

Insgesamt waren nach Angaben der Verwaltung 592 Räumungsklagen angesetzt worden ‑ letztendlich durchgeführt wurde etwas mehr als die Hälfte. In 50 der geräumten Haushalte lebten Kinder. Und: „Der weitaus größte Teil der Räumungsklagen erfolgte aufgrund von Mietschulden“, heißt es weiter.
„Der Verlust der Wohnung bedeutet für Betroffene einen tiefen Einschnitt und ist oft traumatisierend“, sagt Lutz Rutkowski, Sozialarbeiter bei bodo. „Und in unserer Arbeit merken wir, wie schwer es auf einem angespannten Wohnungsmarkt wie in Dortmund geworden ist, Menschen, die länger auf der Straße waren, wieder in Wohnraum zu bringen“, berichtet Lutz Rutkowski. „Für uns muss die Stadt stärker präventiv ansetzen, damit Wohnungslosigkeit im besten Fall gar nicht erst eintritt.“
Die Anfang des Jahres veröffentlichte Wohnungslosenstudie der Bremer Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung (GISS) im Auftrag des Landes hatte ergeben, dass mehr als ein Drittel der in NRW befragten Menschen ohne Wohnung bei Jobcentern, Sozialämtern oder städtischen Fachstellen zur Wohnraumsicherung vorgesprochen hatten, ohne dass dies den Wohnungsverlust verhinderte. „Hier wünschen wir uns auch in Dortmund, dass die Möglichkeiten ausgeschöpft werden“, sagt Lutz Rutkowski.
Eine weitere bemerkenswerte Erkenntnis: Von 331 betroffenen Haushalten wurden nur 52 ‑ rund ein Sechstel ‑ seitens der Stadt untergebracht. „Alle anderen haben die ordnungsrechtlichen Unterbringungsangebote nicht angenommen und sich vermutlich selbst geholfen“, so der Schluss der Verwaltung. Wie es den übrigen Haushalten ergangen ist, ob sie eine Wohnung gefunden haben oder zu Bekannten auf die Couch oder andere prekäre Wohnverhältnisse gerutscht sind, ist völlig unklar. „Die Aufgabe der Stadt muss es sein, hier Anschlüsse zu schaffen, die auch angenommen werden ‑ damit sich Menschen aus ihrer Notlage befreien können und nicht von einer instabilen Wohnsituation in die nächste rutschen“, so der Sozialarbeiter.
Bis 2030 will die Bundesregierung Obdachlosigkeit beenden. Für Kommunen bedeutet das zweierlei: „Sie müssen echte Anschlüsse schaffen, menschenwürdige Unterbringung in Wohnungen, damit Betroffene nach der Räumung nicht in der Notunterkunft oder gar auf der Straße landen. Noch wichtiger ist aber Prävention, gerade angesichts der Inflationskrise: „Verwaltungen müssen handeln, und alles daran setzen, dass Menschen, die von einer Räumung bedroht sind, ihre Wohnung gar nicht erst verlieren.“