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Wohnungslosigkeit in Deutschland

Bisher gab es nur Schätzungen, jetzt endlich Zahlen: 178.000 Menschen in Deutschland leben als Wohnungslose in Notschlafstellen oder Wohnunterkünften. Zum ersten Mal hat das Statistische Bundesamt Daten von Ländern und Kommunen für das gesamte Bundesgebiet veröffentlicht. Bis jetzt gab es eine solche Statistik nur für Nordrhein-Westfalen, jetzt soll sie jährlich auch für den Bund erhoben werden.

Von Alexandra Gehrhardt

In der ersten Bundesstatistik zu Wohnungslosigkeit tauchen nur diejenigen auf, die ordnungsrechtlich - wie in der Dortmunder Männerübernachtungsstelle - oder über freie Träger untergebracht sind. Foto: Sebastian Sellhorst

Nach den Destatis-Zahlen waren rund 74.000 der Menschen, die zum Stichtag am 31. Januar 2022 als untergebrachte Wohnungslose erfasst wurden, alleinstehend, ein Drittel (59.000) als Paar oder Familie mit Kindern untergebracht, rund 23.000 Teil eines Alleinerziehenden-Haushalts. 62 Prozent der untergebrachten wohnungslosen Menschen waren männlich, 37 weiblich. Knapp ein Drittel (31 Prozent) hatten die deutsche Staatsangehörigkeit, 64 Prozent eine andere. Im Schnitt waren die Menschen 32 Jahre alt – doch mehr als ein Drittel (37 Prozent) ist jünger als 25.

Die Einführung einer Wohnungslosenstatistik ist vor gut zwei Jahren von der damaligen Bundesregierung beschlossen, weil eine einheitliche Bundesstatistik nicht existierte. Lediglich in NRW werden jährlich die Wohnungsnotfälle erfasst. Bis dahin hatte die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe BAG W alle zwei Jahre eine Schätzung darüber veröffentlicht, wie viele Menschen als wohnungslos untergebracht sind, aber auch, wie viele bei Bekannten unterkommen, als CouchsurferInnen „pendeln“ oder ohne Obdach auf der Straße leben. BAG W-Chefin Werena Rosenke begrüßt die Statistik als „ersten wichtigen Schritt in die richtige Richtung“.

Sie übt aber auch Kritik: Denn wie ihr NRW-Pendant erfasst auch die Bundesstatistik nur das Hellfeld, also diejenigen, die im Hilfesystem ankommen und zum Stichtag in einer kommunalen oder einem freien Träger angeschlossenen Einrichtung untergebracht waren. Die Statistik, so die BAG W, schließe „wichtige Gruppen wohnungsloser Menschen aus, die aber bei der Einschätzung des Gesamtausmaßes der Wohnungslosigkeit nicht vergessen werden dürfen: Nicht gezählt wurden Menschen, die ganz ohne Unterkunft auf der Straße, auf Dachböden, in Kellern oder in sonstigen Provisorien leben.“ Auch verdeckt Wohnungslose – zum Beispiel Menschen, die vorübergehend bei Familie oder Bekannten unterkommen oder auch Geflüchtete, die nach der Anerkennung weiter in der staatlichen Unterkunft bleiben, weil sie keine Wohnung finden – tauchen in der Statistik nicht auf. Die BAG W geht von einer Untererfassung von mindestens 55.000 Menschen aus.

Die bundesweite Statistik kann und soll einen Grundstein legen für Maßnahmen zur Bekämpfung von Wohnungslosigkeit. Bis 2030 will die Europäische Union Wohnungslosigkeit beenden. Die Bundesregierung hat sich diesem Ziel angeschlossen und will noch in diesem Jahr einen Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung vorlegen.