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Ein Achterbahnleben

bodo-Verkäufer Egon ist verstorben

Das Straßenmagazin trauert um bodo-Urgestein Egon Dittmann. Egon war Verkäufer der ersten Stunde, Gründungsmitglied, zeitweise sogar ein Fernsehgesicht des Vereins. Er verstarb auf der Straße, tragischerweise kurz nachdem er die Zusage für den Einzug in ein Wohnprojekt erhalten hatte. WegbegleiterInnen erinnern sich.

Von Bastian Pütter

Das bodo-Team trauert um seinen Verkäufer Egon Dittmann. Foto: Sebastian Sellhorst

Was als erstes in Erinnerung kommt, sind Egons kluge und weit ausgreifende Geschichten, die vielleicht manchmal den Kontakt zur Realität zu verlieren drohten, aber immer charmant und augenzwinkernd vorgetragen wurden. Gleichzeitig hatte Egon genug Realitätssinn, um – damals, in den 1990ern – eine tragende Rolle im Fernsehprojekt des Vereins zu übernehmen: „bodo TV“ lief im Offenen Kanal Dortmund, Egon arbeitete vor und hinter der Kamera. „Das war eine gute Zeit“, erinnert sich Gabi, die damals mit Egon für „bodo TV“ arbeitete. „Er hatte einen Job im Veranstaltungsbereich und zu der Zeit eine Wohnung“, sagt Gabi, „drei Jahre später traf ich ihn aber am Bahnhof, da hatte er Schulden und die Wohnung verloren.“

Günter, ebenfalls ein bodo-Urgestein, ergänzt: „Ja, am Anfang lief es. Dank bodo hat Egon eine Wohnung bekommen und alles war gut. Er hat mich damals auf der Straße angesprochen, ob ich nicht mitmachen will bei bodo. Irgendwann hat er hingeschmissen und es ging zurück auf die Straße. Nach ein paar Jahren kam er zurück.“

„Das war ein Achterbahnleben“, sagt Jutta. „Das passt ja auf viele Leute bei bodo, auf Egon aber ganz besonders.“ Als sie ihn Jahre später kennenlernt, hat er wieder hochfliegende Pläne: in der Veranstaltungsbranche, am Theater. Wen man auch fragt, alle VerkäuferInnen äußern sich bestürzt über Egons Tod. „Wir sind immer gut klargekommen. Das letzte Mal, dass ich ihn getroffen habe, war an seinem Verkaufsplatz in Aplerbeck. Ich war auf dem Weg zu der Kirchengemeinde, an der ich verkaufe, und hab vorbeigeschaut.“ Auch Stefan ist durch Egon zu bodo gekommen und ihm heute noch dankbar.

Noch einmal erlangt Egon Medienöffentlichkeit, diesmal war der Anlass weniger schön. Seine kleine Hündin Hanni ‑ „ein Huskymischling“, wie Egon mal mit tiefem Ernst, mal augenzwinkernd erklärt – war in der Silvesternacht 2017/18 aus dem Zelt, in dem er wohnt, entlaufen. Es folgt eine eigene Variante von Achterbahnfahrt in der Berichterstattung: Mitleid, Suchanzeigen, Polizisten, die Hanni auf dem Beifahrersitz zurück zu Egon bringen, Tierschutzbedenken, eine ausgiebige Diskussion, was Obdachlose dürfen und was ihnen zusteht. Am Ende kommt Hanni zu einer Familie in Pflege, und obwohl Egon zugestehen kann, dass es ihr dort besser geht als bei ihm, kommt er nicht darüber hinweg. „Die waren ein Team“, sagt Jutta.

In den vergangenen Jahren hat sich sein Lebensmittelpunkt vollständig nach Aplerbeck verlagert. Hier schläft er im Zelt und verkauft am Rodenberg Center das Straßenmagazin. Auch hier zeigen sich Mitarbeiter- und PassantInnen bestürzt. „Er war doch jeden Tag hier“, ist eine bodo-Stammkundin fassungslos.

Besonders tragisch ist Egons Tod, weil kurz zuvor die Zusage für einen Platz in einem Wohnprojekt der Diakonie erfolgte. Zum verabredeten Termin erschien er nicht. Katrin Lauterborn vom Gast-Haus e.V. erinnert sich an Egon als einen „ganz lieben, beliebten, freundlichen Gast“. Sie hat sich für die Beisetzung in der „Grabstätte für Unbedachte“ in der Grabeskirche Liebfrauen im Klinikviertel – an der Seite u.a. der bodo-VerkäuferInnen Meike und Adolf – eingesetzt. Ein Termin steht noch nicht fest.