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Eine europäische Lösung

Foto: Sebastian Sellhorst

Notunterkünfte für Obdachlose produzieren Ausschlüsse, sie machen krank, sind teuer und lösen das Problem nicht. FEANTSA, der europäische Dachverband der Wohnungslosenhilfe-Organisationen, hat gemeinsam mit der Abbe Pierre Stiftung seinen vierten Bericht zur „Housing Exclusion“ veröffentlicht und fordert einen Kurswechsel in Europa.

Von Bastian Pütter

In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Obdachlosen in fast allen Ländern der Europäischen Union alarmierend gestiegen“, stellt der Ende März veröffentlichte Bericht fest. FEANTSA geht von 700.000 Betroffenen aus, ein Anstieg um 70 Prozent. In der Folge sei der Bedarf nach Notunterkünften geradezu explodiert. Das Problem: Das Stufenmodell der Wohnungslosenhilfe funktioniere nicht bzw. nicht gut genug. Obdachlose beginnen in Notschlafstellen und müssen Stufen der sozialen Rehabilitation durchlaufen, mit einem Mietvertrag als Ziel. Staut es sich im System, werden Notunterkünfte zum Daueraufenthalt. Winternotprogramme bildeten eine zusätzliche Härte ‑ auch für HelferInnen ‑, am Ende des Winters stehe wieder die Obdachlosigkeit. Den Preis zahlen die Betroffenen, so FEANTSA, die ineffektive Bekämpfung von Obdachlosigkeit verursache jedoch auch reale Kosten.

FEANTSA kritisiert, dass es europaweit Zugangsbeschränkungen und bürokratische Hürden zur Nutzung von Notunterkünften gebe, oft werde MigrantInnen der Zugang verwehrt. Gleichzeitig werde der Anspruch auf Mindeststandards der Unterbringung, Sicherheit und Privatsphäre regelmäßig verfehlt. „Verstärkt durch Äußerungen von Politikern und ein weitverbreitetes Missverstehen der Problemlagen Wohnungsloser hält sich die Vorstellung, dass Menschen freiwillig die Notschlafstellen meiden.“

FEANTSA fordert eine Erfassung prekärer Wohnversorgung und eine EU-weite Obdachlosenstatistik. Vor allem brauche es aber einen Kurswechsel. Vorbild könne Finnland sein, das einzige Land, das gegen den Trend rapide sinkende Obdachlosenzahlen verzeichnet. Statt kurzfristiger Notlösungen werden Obdachlose gemäß der „Housing first“-Grundsatze zuerst mit eigenem Wohnraum versorgt, von wo aus sie freiwillig Unterstützung in Anspruch nehmen können. „Wir müssen aufhören, über die ,Wohnfähigkeit‘ von Menschen zu befinden“, stellt der Bericht klar. „Es funktioniert nicht. Eine Wohnung ist keine Belohnung, sondern ein Recht.“